Schrebervereine und Schrebergärten - Dr. Schreber hat diese nie gesehen (11.6.05)
Wußten Sie, daß Schrebervereine ursprünglich gar keine Gartenvereine waren,
sondern Kinderspielkreise?
Oder daß Dr. Schreber niemals einen Schrebergarten in seinem Leben gesehen hat?
Dr. Daniel Moritz Gottlob Schreber (geb. 15.10.1808 in Leipzig) war Kinderarzt bzw. Orthopäde.
Der erste Schreberverein entstand aber erst drei Jahre nach dem Tode (gest. 10.11.1861)
von Dr. Schreber am (13. Nov. 1864).
Gegründet wurde der Verein, der die Kindererziehung mit Spielplätzen
fördern sollte, von dem Schuldirektor Dr. phil. Ernst Innocenz Hauschild. Es war
eigentlich ein Schulverein der in Zusammenarbeit mit den Eltern seiner
Schüler entstanden ist. Da man diesen Verein aber nicht Schul- noch Erziehungsverein
taufen wollte, nannte man ihn zu Ehren des verstorbenen Dr. D.G.M. Schreber, Schreberverein.
Schreber hatte zu seinen Lebzeiten die schlechten Entfaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in den damaligen
Städten angeprangert und gefordert, daß auf die Bedürfnisse von Jugendlichen und Kindern
insofern Rücksicht genommen würde, als daß entsprechende Spielstätten und Plätze geschaffen würden.
Den ersten Spielplatz, den dieser Verein gegründet hat, gab man bei der Einweihung
am 25. Mai 1865 den Namen Schreberplatz.
Oberlehrer Heinrich Karl Gesell (Bild oben) legte dort Gärtchen an, in denen die Kinder Gärtnern
lernen sollten. Aber leider fehlte den Kindern die Ausdauer dafür, und die Gärten
verwahrlosten. Später übernahmen die Eltern diese Beete und führten sie fort. Da diese
Beete zunächst uneingezäunt für jedermann zugänglich waren, wurden sie mit der Zeit
eingezäunt, damit die eigentlichen Gärtner auch die Früchte ihrer Arbeit genießen konnten
und man nannte sie ganz einfach Schrebergärten.
In der Frühzeit der Schrebervereine war
die Gartenarbeit allerdings stets sekundär, primär war das Kinderspiel und die pädagogische
Anleitung der Kinder. Primär standen die Kinder im Vordergrund, erst später wurden die
Gärten primär. Bei echten Schrebervereinen steht daher immer ein Spielplatz in der Mitte der
Gartenanlage.
Die Person von Dr. Schreber
So positiv sich diese Ansatz anhört, so ambivalent ist aber die Person von Dr. Schreber.
Er legte enormen Wert auf körperliche Ertüchtigung und regelmäßige Gymnastik.
Er legte sehr großen Wert auf eine schon fast "perfekte" Kindererziehung, aber in der
Retrospektive der Frucht seines Lebens ist festzustellen, daß einer seiner beiden Söhne, die
beide psychotisch waren, mit 38 Jahren Selbstmord begann und der andere, Daniel Paul Schreber,
verfaßte die Schrift "Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken : nebst Nachträgen und einem
Anhang über die Frage: "Unter welchen Voraussetzungen darf eine für geisteskrank erachtete
Person gegen ihren erklärten Willen in einer Heilanstalt festgehalten werden?".
Interessant ist das Buch von Morton Schatzman "Die Angst vor dem Vater : Langzeitwirkung e.
Erziehungsmethode ; e. Analyse am Fall Schreber", Hamburg, 1978. Hierin werden die
Erziehungsmethoden von Schreber dargestellt und mit den Symptomen verglichen, die
insbesondere Daniel Paul Schreber später entwickelte, so daß es möglich sein könnte, daß
die rigide und in der Wahl ihrer Mittel doch nicht gerade zimperlichen Erziehungsmethoden
von Dr. Schreber zu den Geisteskrankheiten seiner Söhne beitrugen.
Dr. Schreber ersann allerhand Geräte, um Kinder z.B. mit Gürteln so festzubinden, so daß
sie bestimmte Körperhaltungen einhielten, sich nicht verkrümmten, Mädchen z.B. nachts nur auf
dem Rücken schliefen, etc. Er versuchte auch die Masturbation beider Geschlechter zu unterbinden
und legte immensen Wert auf den absoluten Gehorsam der Kinder ihren Eltern gegenüber. Dr.
Schreber wird nachträglich in der heutigen Zeit Sadismus vorgeworfen, wobei es aber durchaus sein
kann, daß er damals mit besten Absichten handelte, aber leider wohl wortwörtlich das Kind mit dem Bade
ausschüttete.
Diese Geisteshaltung ist für das 19. jahrhundert nicht ungewöhnlich, fraglich ist aber der
Nutzen und die Auswirkungen dieser Methode.
Das Horoskop von Schreber
Schauen wir uns das Horoskop Schrebers an, dessen AC leider hypothetisch bleiben muß:
Wir sehen Saturn wie auch Venus und Merkur im Zeichen Skorpion, welches sehr gut auch
der Aszendent von Dr. Schreber sein könnte. Saturn im Skorpion oder SA/PL deutet gerade
einerseits auf das typisch deutsche Phänomen von Dichter und Denker, aber auch Richter und
Henker hin. Hier findet sich auch der Hang zum Perfektionismus, zur Unerbittlichkeit der Prinzipien
gegenüber dem Leben und Untergeordneten. Venus und Merkur im Skorpion könnten auf Leibesertüchtigung
und Abhärtung deuten, die für Schreber auch wichtige Erziehungsrichtlinien darstellten.
Der innere Bezug der Person Schrebers zu den Schrebergärten
Interessant ist nun, daß Schreber ausgerechnet der Namensgeber für die so berühmten Schrebergärten
geworden ist. Warum dies, zumal er niemals solche Gärten direkt angeregt hatte?
Besteht hier unter Umständen eine innere Verbindung des Namens von Schreber und seiner Persönlichkeit
zu Inhalt und Wesen der Schrebergärten? Durchaus könnte dies sein.
Das Wort Schreber (Nomen est omen) scheint mit Schrauben, (ver-)schroben bzw. verschrauben etymologisch in einem
Zusammenhang zu stehen: Bedeutung ist mittels einer kreisförmigen Hineinbewegung (Pluto) einen
harten Gegenstand (Saturn) einzubohren. Es wird mit gezielter Gewalt und unzimperlichen Mitteln
etwas "injiziert".
Schrebergärten: Häufig sehr gepflegte, sogar vielleicht kleine "perfekte" Naturstücke, die ganz
und gar dem Willen ihres Eigners unterworfen sind und entsprechend zurechtgestutzt werden
(absolutes Gehorsam dem Gärtner gegenüber). Ähnlich wie einer der Söhne Schrebers in die
Psychiatrie kam und der Behandlung bedurfte (der andere ging schon vorher ein), so müssen die
Pflänzchen im Schrebergarten manchmal mit Gift und allerhand Mitteln am Leben gehalten werden,
weil der Schrebergärtner - nur mit bester Absicht - aber leider doch kurzsichtig und ohne
die wirklichen Zusammenhänge im Garten zu begreifen - rodet und rottet, jätet und wütet, wo
die tolerante Weisheit gütig und nachsichtig gedeihen läßt im tieferen Wissen und Verständnis,
daß sich dadurch erst ein vollständiges Ganzes ergeben möge.
Bibliographie von Schreber
Bibliographie:
"Die Eigenthümlichkeiten des kindlichen Organismus im gesunden und kranken Zustande" (1839)
"Der Hausfreund als Erzieher und Führer zu Familienglück und Menschenveredelung" (1861)
"Die ärztliche Zimmergymnastik" (1855); dies wurde zum Bestseller
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Literatur zum Thema:
Sächsische Landesstelle für Museumswesen (Hrsg.): Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig. Deutschlands Kleingärtner - vom 19. zum 21. Jahrhundert, Sächsische Landesstelle für Museumswesen, Leipzig 2001
Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig: Der Schreberverein und der Verband Leipziger Schrebervereine 1864-1922, Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig, Leipzig, 2004
Katsch / Kosbi / Lippold: Zur Geschichte des Kleingartenwesens in Sachsen, Landesverband Sachsen der Kleingärtner e.V., Leipzig, 2000
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Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken
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